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4. Das Fitverfahren
Die folgende Beschreibung des Fitverfahrens zur Impulsbestimmung
ist eine Zusammenfassung der wichtigsten Ergebnisse aus der Diplomarbeit
von Claus Dohmen [Do 91].
Von einem aus dem Target kommenden Teilchen soll
der Impuls beim Eintritt in die Driftkammer DC1 bestimmt werden. Dazu wird
die Spur des Teilchens mit Hilfe eines c2
- Fits iterativ unter Verwendung eines Spurmodells an die in den Driftkammern
DC1 und DC2 bestimmten Koordinaten angepaßt. Die Inhomogenität
des Magnetfeldes wird dabei voll mitberücksichtigt. Da die Messungen
der Spurpunkte in den beiden Kammern unterschiedliche Genauigkeiten haben,
müssen die Meßpunkte mit unterschiedlichem Gewicht in den Fit
eingehen. Nicht berücksichtigt im Fitprozeß werden
jedoch Vielfachstreuung und Energieverlust, die
nicht einfach zu behandeln sind und bei vielen Ereignissen keine große
Veränderung des Fitergebnisses bedingen. In meiner Arbeit werden jedoch
auch diese Vernachlässigungen mitbehandelt, was in späteren Kapiteln
beschrieben wird.
4.1 Flugbahn eines Elektrons im SINDRUM II-Detektor
Die gesuchten Elektronen sind im Target entstanden
und haben einen Impuls von etwa 100 MeV/c. Bei homogenem Magnetfeld, ohne
Vielfachstreuung und Energieverlust, wäre die Bahn des Elektrons genau
eine Helix. Es gibt zwei Typen von Spurverläufen (s. Abb.
4.1). Wenn der Transversalimpuls groß genug ist, gibt es pro
Umlauf zwei Spurstücke in der DC1 und eines in der DC2. Ist der Transversalimpuls
kleiner, so gibt es nur ein zusammenhängendes Spurstück in der
DC1. Nach einem vollen Umlauf kann das Elektron die DC1 wieder erreichen.
Da das Elektron laufend Energie verliert, ist i.a. der erste Spurkreis
deutlich größer als die folgenden.
Da das Magnetfeld nicht ganz homogen ist und
keine geschlossene Lösung der Bewegungsgleichung für dieses B-Feld
bekannt ist, wird die Spur aus vielen hinreichend kleinen Helixstücken
zusammengesetzt, so daß das B-Feld im Bereich eines Stückes
als konstant angenommen werden kann [Si 14].
An den Übergangsstellen muß Impulserhaltung gelten. Durch diese
Bedingung folgt ein stetiger differenzierbarer Übergang von einem
Helixstück zum nächsten. In der x/y-Ebene können zwei Kreissegmente,
auch mit unterschiedlichem Radius, stetig differenzierbar aneinandergesetzt
werden. In der Bogen - z-Darstellung
ist eine Helix allerdings eine Gerade, und zwei Geraden unterschiedlicher
Steigung bilden am Ansatzpunkt einen Knickpunkt. Um dieses Problem zu lösen,
wird z für die Spurfortsetzung als Funktion zweiten Grades von b angesetzt.
Es reicht also, die Parameter des ersten Helixstückes bei Eintritt
des Teilchens in die DC1 (bei Punkt A in Abb. 4.1)
anzugeben, um die gesamte Spur zu beschreiben. Eine Helix wird durch sechs
Parameter charakterisiert. Da der Punkt A immer auf der DC1-Innenwand liegt,
genügen fünf Parameter (s. Abb. 4.2). Bei
einer Projektion der Helix in die x/y-Ebene erhält man einen Kreis,
den man durch Mittelpunkt (xM,yM) und Radius (R)
beschreiben kann. Ein weiterer Parameter ist die z-Koordinate ß des
Punktes A.
Wenn man den z-Vorschub durch den Bogen
(b) teilt, erhält man den fünften Parameter (a=Dz/Db).
Eine andere Beschreibung des Parameters a ist
a
= PZ/PT, also das Verhältnis von z-Impuls zu
Transversalimpuls ( in der x/y-Ebene).
(a)
(b)
Abb. 4.1. Die beiden für einen Fit brauchbaren Spurverläufe im
SINDRUM II-Detektor. Bei großem Transversalimpuls erreichen die Elektronen
die DC2 (a), bei kleinerem bleiben sie in der DC1 (b). Die Durchstoßpunkte
durch die Kammerwände sind mit A bis D gekennzeichnet, die Spurbereiche
mit I bis III.
(a)
(b)
Abb. 4.2. Bedeutung der fünf Helixparameter in der x/y-Ebene (a) und
im b/z-Diagramm (b). A ist der Anfangspunkt des Helixstückes. Beim
ersten Helixstück ist es der Spurpunkt A. E ist der Endpunkt des Helix
stückes.
4.2 Hits im SINDRUM II-Detektor
In den beiden Kammern DC1 und DC2 liefert die Zeitinformation
der Pulse auf den Anodendrähten eine Information zur x- und y-Koordinate.
Man erhält allerdings nicht einen Punkt, sondern eine Isochrone
. In der DC1 hat diese Isochrone Halbkreisform. Da in der
DC2 der Isochronenradius eine kompliziertere Form hat und der Meßfehler
bedeutend größer als in der DC1 ist, kann hier in erster Näherung
die Isochrone als Punkt angenommen werden. In der DC1 liefern die Kathodenstreifen
zusätzlich eine z-Koordinate. Diese Aufteilung in einerseits x- und
y-Koordinaten und andererseits z-Koordinaten spiegelt sich auch im Fit
wieder. Formell werden die Hits in Anodenhits und Kathodenhits aufgeteilt.
Dies ist vor allem sinnvoll, da nicht zu jedem Anodenhit ein Kathodenhit
existiert. Ein anderer Grund für diese Aufteilung ist der, daß
der Meßfehler in z größer ist als in x/y, die z-Information
also mit einem geringeren Gewicht in den Fit eingehen muß.
4.3 Abstände der Hits zur gefitteten Spur
4.3.1 Anodenhits
Da die Anodenhits nur als Isochrone bekannt sind
und die Projektion der gefitteten Spur in die x/y-Ebene einen Kreis bildet,
läßt sich kein eindeutiger Abstand zwischen Hit und gefitteter
Spur angeben. Nimmt man aber an, daß die wirkliche Spur die Isochrone
nur in einem Punkt berührt (s.o.) und dort etwa parallel zur gefitteten
Spur verläuft, so wird dadurch ein Punkt auf der Isochrone ausgezeichnet.
Der Abstand dieses Isochronenpunktes zur gefitteten Spur ist gleich dem
Abstand entlang der Geraden, die durch den Isochronenmittelpunkt ( MI)
und den Spurmittelpunkt (MS)
geht (s. Abb. 4.3). Der Abstand ergibt sich also
zu:
(4.1)
Die beiden Vektoren
MS
und MI sind zweidimensional. RS
ist der Spurkreisradius und RI der Isochronenradius.
Abb. 4.3. Bestimmung des Abstandes eines DC1-Anodenhits zur gefitteten
Spur. Eingetragen sind die Spur mit Mittelpunkt MS und vier
Hits mit ihren Isochronen. Die Abstände di sind dicker
eingezeichnet. Die Projektion der Spur ist als einfacher Kreis angenommen.
Als Hitpunkt wird also der Isochronenpunkt
gewählt, der sich am nächsten zum Spurkreismittelpunkt befindet.
Der Spurpunkt ist der diesem am nächsten gelegene Punkt auf
der gefitteten Spur. Befindet sich dieser Hitpunkt innerhalb des
Spurkreises, so ist d negativ, sonst positiv.
4.3.2 Kathodenhits
Da nur Kathodenhits benutzt werden können, zu
denen ein Anodenhit gefunden wurde, liegen hier alle drei Koordinaten vor.
Als
Hitpunkt wird wieder der im vorigen Abschnitt bestimmte benutzt.
Der (z-)Abstand des Kathodenhits zur Spur ergibt sich dann zu:
(4.2)
Dabei ist zS die z-Koordinate des
Spurpunktes
und zH die des Hitpunktes.
4.4 Minimierung der Abstände der Hits zur Spur
Der Fit besteht aus einer iterativen Anpassung der
fünf Spurparameter an die vorhandenen Hits. Ausgehend von einer groben
Näherung der Spur wird wiederholt berechnet, wie die Spurparameter
geändert werden müssen, um die Abstände der Hits zur gefitteten
Spur zu minimieren. Dabei müssen die Abstände unterschiedlich
gewichtet werden. Als einfachsten Gewichtungsfaktor kann man das Inverse
des Meßfehlers (s.Tab. 3.1) nehmen.
Man erhält dann:
(4.3)
Dieser Ansatz ist nur dann richtig, wenn die
Fehler der einzelnen Hits unabhängig von einander sind. Da dies nicht
unbedingt der Fall ist, bietet sich eine andere Schreibweise an, die einfacher
auf abhängige Fehler zu verallgemeinern ist:
(4.4)
Der Vektor d beinhaltet
alle Hitabstände di . Die Matrix W
ist die Gewichtsmatrix; im Falle unabhängiger Meßfehler ist
sie diagonal und ihre Elemente sind:
(4.5)
Die fünf Parameter (xM, yM,
R, a und ß) werden zu einem Vektor
P
zusammengefaßt. In jeder Iterationsstufe des Fits werden Korrekturen
( p ) zu P berechnet,
um c2 zu minimieren.
(4.6)
Der Index k gibt die Iterationsstufe des Fits
an.
Die Abstände der Hits hängen von den
Spurparametern (P) ab. Berechnet man die 1.
Ableitung Dij der Abstände nach der Änderung (p)
der Spurparameter, so läßt sich in 1. Näherung der Abstandsvektor
der korrigierten Spur berechnen:
(4.7)
(4.8)
d(Pk)
wird direkt aus der unkorrigierten Spur bestimmt. Um Dij zu
erhalten, wird beim Berechnen der Spur zu jeder Größe auch ihre
1. Ableitung nach den Spurparametern berechnet.
Damit läßt sich dann auch c2(Pk+1)
berechnen, man erhält:
(4.9)
Die Minimierungsbedingung lautet:
(4.10)
Aus den beiden letzten Gleichungen läßt
sich p berechnen und ergibt sich zu:
(4.11)
Man erhält so nach (4.1)
die Spurparameter der nächsten Iterationsstufe. Als Spur in der ersten
Iterationsstufe nimmt man eine Helix, die man aus einem einfachen Kreisfit
in x/y und einer linearen Anpassung in z erhält. Da die Korrekturen
i.a. aber nur eine Näherung 1. Grades darstellen, ist das Resultat
noch nicht die gesuchte Spur, sondern nur eine bessere Näherung. Wie
bereits erwähnt, wird deshalb dieser Prozeß wiederholt, bis
das Ergebnis gut genug ist. Hier haben sich drei Durchläufe als ausreichend
gezeigt [Do 91].
4.5 Bestimmung der Gewichtsmatrix und Fehlerrechnung
Die Meßfehler der Hits sind voneinander unabhängig.
Also würde für die Gewichtsmatrix eigentlich der Ansatz nach
(4.5) ausreichen. Für die Berechnung von p
ist aber nicht der Ort eines Hits wichtig, sondern sein Abstand zur gefitteten
Spur. Hier geht also auch der Fehler der Spurrekonstruktion ein. Außer
den sehr kleinen systematischen Fehler des Spurmodells treten durch zufällige
Prozesse wie Vielfachstreuung auch statistische Fehler auf. Wenn z.B. am
Punkt B (s. Abb. 4.1) das Teilchen in positive z-Richtung
gestreut wird, so werden ab diesem Punkt die Hits nicht mehr zufällig
um die gefittete Spur verteilt sein, sondern bevorzugt zu größeren
z verschoben. Die Fehler der Abstände der Hits zur gefitteten Spur
sind also nicht unabhängig, und somit muß die gesamte Gewichtsmatrix
bestimmt werden (vergleiche Kap. 5). Verallgemeinert
man die diagonale Matrix unter Berücksichtigung abhängiger Fehler,
so erhält man:
(4.12)
CHist die Kovarianzmatrix der Hitabstände
(s. Kap. 5). Das Gauß-Markov-Theorem
sagt aus, daß der in (4.4) benutzte Ansatz
für lineare Spurmodelle mit der Lösung (4.11)
die besten Spurparameter liefert. Diese Kovarianzmatrix läßt
sich auch zur Fehlerberechnung mit Hilfe des Fehlerfortpflanzungsgesetzes
benutzen. Für die Kovarianzmatrix CP der
Spurparameter ergibt sich für ein lineares Spurmodell bzw. allgemein
in 1. Näherung:
(4.13)
Entsprechend lassen sich auch alle sonstigen
Fehler von gefitteten Größen berechnen. Dies wird sich später
als Vorteil herausstellen, da man so eine weitere Möglichkeit hat,
die Gewichtsmatrix zu überprüfen(s. Kap.
5.3).
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