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3. SINDRUM II - Experiment
3.1 Der Aufbau des SINDRUM II-Detektors
Die Aufgabe des SINDRUM II-Detektors ist, Elektronen
mit einer Energie bzw. einem Impuls im Bereich von 100 MeV nachzuweisen.
Die Impulse müssen so genau wie möglich bestimmt werden, um die
gesuchte Reaktion von Untergrundreaktionen trennen zu können. Die
geforderte Impulsauflösung beträgt 0.5 MeV/c.
In einem fast homogenen Magnetfeld, in dem sich
die Elektronen auf Helixbahnen bewegen, wird der Detektor rotationssymmetrisch
um die Magnetfeldrichtung angeordnet. Das Titantarget, in dem die stoppenden
Myonen die gewünschte Reaktion erzeugen sollen, befindet sich in der
Mitte des Detektors. Die für die Impulsbestimmung
wichtigsten Teile des Detektors sind zwei Driftkammern,
wobei die innere Driftkammer DC1 eine bedeutend höhere Ortsauflösung
hat als die äußere DC2. Im Regelfall durchqueren die zu messenden
Elektronen die DC1 pro Spurumlauf zweimal, und die entsprechenden Spurstücke
werden benutzt, um den Impuls des Teilchens zu bestimmen. Es sind noch
weitere Elemente wie Hodoskop und Cerenkov-Zähler im Detektor vorhanden,
die hauptsächlich der Triggerung und Teilchenidentifikation dienen.
Der Aufbau von SINDRUM II ist in Abb. 3.1 gezeigt.
Im folgenden werden die einzelnen
Komponenten genauer beschrieben.
3.2 Myonstrahl und die Moderatoren
Der µE1-Kanal des PSI liefert etwa 1.1*107µ-/s.
Diese hohe Rate ist nötig, um in an gemessener Zeit die gewünschte
Nachweiswahrscheinlichkeit zu erreichen. Der Strahl hat allerdings auch
noch Verunreinigungen von Pionen und Elektronen. Er enthält einen
Pionanteil von < 10-7. Dieser wird durch
die Moderatoren verringert. Der Elektronenanteil beträgt etwa 6*10-2
.
Diese Elektronen werden durch die Moderatoren so weit abgebremst, daß
sie nicht mehr mit den Konversionselektronen verwechselt werden können.
Die Moderatoren dienen ebenfalls der Fokussierung des Myonstrahls auf das
Target. Eine weitere Unterdrückung des Untergrundes durch Verunreinigungen
des Strahls geschieht durch Identifikation der Teilchen im Strahlzähler
(s.3.5.1).
Abb. 3.1. Der SINDRUM II-Detektor. Das Magnetfeld ist in z-Richtung. Die
Zeichnung ist nicht maßstabsgetreu.
3.3 Das Target
Das Target besteht aus einem Titanblechhohlzylinder
von 30 cm Länge und einem Durchmesser von 14 cm, der mit Titanspänen
gefüllt ist. Damit wird zwar nur eine Stopprate von 26% der Strahlmyonen
erreicht, aber eine Erhöhung der Massendichte würde nicht nur
zum Stoppen von mehr Myonen führen, sondern auch die erzeugten Teilchen
abbremsen, bevor sie die Driftkammern erreichen. Dadurch würde die
monoenergetische Linie der gesuchten Konversionselektronen bei 104.27 MeV
verbreitert und damit deren Nachweis erschwert. Außerdem erhöht
sich mit der Targetmasse auch der Untergrund durch kosmische Strahlung.
Bei dem gewählten Target erleiden die Elektronen einen mittleren Energieverlust
von etwa 1.9 MeV [He 91].
3.4 Das Magnetfeld
Das näherungsweise homogene Magnetfeld soll
dafür sorgen, daß Elektronen mit einem Gesamtimpuls von etwa
100 MeV auf Helixbahnen kreisen, die radial höchstens bis zur Mitte
der äußeren Driftkammer reichen. Da ihr Entstehungsort etwa
in der Mitte der Kammer ist, muß bei 100 MeV/c Transversalimpuls
der Spurkreisdurchmesser kleiner sein als der entsprechende Radius in der
DC2. Für den Radius einer Spur mit Transversalimpuls pT
erhält man:
(3.1)
Um die gewünschte Spurgröße zu
erreichen, wird ein Magnetfeld von 12 kG benutzt. Bei Messungen des Magnetfeldes
mit einer Hall-Sonde stellte man nicht vernachlässigbare Abweichungenen
vom idealen homogenen Solenoidfeld fest. Die Hauptmagnetfeldkomponente
Bz hat ihre größte Variation
in z-Richtung (s. Abb. 3.2). Beim Strahleintritt
(z = -80 cm) ist BZum 7% geringer als in
Kammermitte (z = 0), am Strahlaustritt (z = 80 cm) um 1% größer
als in der Mitte. Die Abhängigkeit des Magnetfeldes vom Radius ist
geringer (ca. 1%), und das Feld kann in guter Näherung als rotationssymmetrisch
angenommen werden. Man muß also nur B(r,z) parametrisieren.
Mit Hilfe der Maxwell-Gleichungen ist es möglich,
die drei Magnetfeldkomponenten aus der z-Komponente bei Radius R = 0, also
BZ(0,z) zu berechnen. Bisher wird für
Bz(0,z) ein Polynomansatz 5. Grades benutzt. Für die Zukunft
ist geplant, das Magnetfeld genauer zu parametrisieren; u.a. soll die Rotationssymmetrie
nicht mehr vorausgesetzt werden. Die Parametrisierung des Magnetfeldes
wird im Spurfit nicht explizit verwendet, sondern es wird nur eine Funktion
aufgerufen, die das Magnetfeld am betrachteten Ort zurückgibt. Deshalb
kann die Parametrisierung geändert werden, ohne das Fitprogramm selbst
modifizieren zu müssen.
Abb. 3.2. Die z-Abhängigkeit der z-Komponente des Magnetfeldes bei
einem Radius von 46.8 cm. (Abb. nach [Mu 90])
Zu Testzwecken werden neben den normalen µl-Runs
auch solche mit Pionen durchgeführt. Der seltene Zerfall p+
->e+ne
liefert monoenergetische Positronen mit Impulsen von 69.8 MeV/c. Da man
den Impuls kennt, eignet sich diese Reaktion gut zur Überprüfung
der Tracker und des
Fitprogramms. Um allerdings möglichst ähnliche Bedingungen wie
bei 100 MeV/c Elektronen zu haben, muß das Magnetfeld entsprechend
verringert und umgepolt werden.
Um dies und eventuelle zeitliche Variationen
des Magnetfeldes zu berücksichtigen, wurde bisher der Spulenstrom
aufgezeichnet. In Zukunft soll mit Hilfe einer fest installierten Hall-Sonde
während des Runs das Magnetfeld ausgelesen und mitabgespeichert werden.
3.5 Die Komponenten zur Triggerung und Teilchenidentifikation
3.5.1 Der Strahlzähler
Der Strahlzähler dient der Identifikation der
Strahlteilchen [Ri 91] und der Bestimmung
des µ-Flusses. Es ist ein schneller Plastik-Szintillationszähler,
der im Strahleintritt in der Detektor-Frontkappe montiert ist. Durch die
Analyse der Strahlzählerdaten lassen sich Pionen und Elektronen von
den Myonen trennen.
3.5.2 Szintillatorhodoskop
Das Szintillatorhodoskop dient in erster Linie zum
Triggern der gewünschten Ereignisse. Es ist in 64 Segmente aufgeteilt.
Sie liefern pro Umlauf des Elektrons zwei Spurpunkte, aus denen eine grobe
Abschätzung des Transversalimpulses gewonnen werden kann. Ein Ereignis
wird nur aufgezeichnet, wenn mindestens zwei Hodoskophits vorhanden sind
und diese einen Abstand von mindestens 13 und höchstens 19 Segmenten
haben. Außerdem sind die Hodoskope schnell genug, um aus ihrer Zeitinformation
die Reihenfolge der Hodoskophits zu ermitteln. Daraus läßt sich
die Reihenfolge der ein
zelnen Umläufe und ihre Drehrichtung und
somit das Vorzeichen der Ladung des Teilchens ermitteln.
3.5.3 Cerenkov-Zähler
An beiden Enden des Detektors (ab z= ±40.5
cm) befinden sich die aus je 16 Segmenten bestehenden Cerenkov-Zähler.
Sie liefern die Information, ob es sich um ein Elektron (Positron) oder
ein anderes Teilchen handelt. Diese Information wird im Trigger benutzt.
3.6 Die Driftkammern
Zur Impulsbestimmung stehen dem Experiment zwei Driftkammern
zur Verfügung, die innere DC1 und die äußere DC2. Die DC1
hat eine viel höhere Ortsauflösung als die DC2. Dies wird u.a.
durch die Verwendung von CO2 als
Driftgas erreicht. Diese hohe Meßgenauigkeit von 0.2 mm wird allerdings
durch einen im Vergleich zur DC2 hohen Wirkungsquerschnitt für Vielfachstreuung
und Energieverlust erkauft. Aus diesem Grund wurde für die DC2 Helium
als Driftgas gewählt. Durch die beiden Kammern erhält man in
zwei Spurstücken (in der DC1) eine hohe Meßgenauigkeit, ohne
im Ganzen eine zu hohe Vielfachstreuung und Energieverlust zu haben. Zur
Bestimmung des Spurkreisradius und damit des Transversalimpulses ist die
Ortsbestimmung an zwei möglichst 180° auseinander liegenden Bereichen
besonders wichtig. Dies wird sehr gut durch die DC1 erreicht (s. Abb.
4.1b).
Um Energieverlust und Vielfachstreuung insgesamt
niedrig zu halten war es auch wichtig, eine möglichst dünne aber
doch stabile und undurchlässige Zwischenwand (DC1/DC2) zu benutzen.
Sie besteht aus einem 4 mm dicken Schaum (Rohacell), der beidseitig mit
aluminisiertem Kapton beschichtet ist. Die innere Aluminiumschicht ist
die in Streifen unterteilte äußere Kathode der DC1 (s. 3.6.1)
und die äußere Aluminiumschicht ist die Driftkathode der DC2.
[Mu 91]
Da diese Kammern, vor allem die DC1, für
diese Arbeit die wichtigsten Komponenten des Detektors sind, sollen sie
etwas genauer beschrieben werden. In diesem Kapitel werden die gemeinsamen
Eigenschaften der beiden Kammern angegeben.
Eine Driftkammer ist ein mit Gas gefüllter
Raum zwischen zwei Elektroden. Geladene Teilchen ionisieren beim Flug durch
die Kammer das Gas. Durch ein angelegtes elektrisches Feld werden die Elektronen
zur Anode und die Kationen zur Kathode beschleunigt. Uns interessieren
hier nur die Elektronen. Auf dem letzten Stück des Weges zu der aus
dünnen Drähten bestehenden Anode, dem Verstärkungsbereich,
können diese so weit beschleunigt werden, daß sie selbst in
der Lage sind, Gasatome zu ionisieren. Trifft die Elektronenwolke auf die
Anode, so entsteht dort ein meßbarer elektrischer Puls. Ein Problem
beim Bau einer Driftkammer ist, ein Gas zu finden, das eine hohe Meßgenauigkeit
erlaubt, aber gleichzeitig wenig Vielfachstreuung und Energieverlust verursacht.
Die Primärionisation kann irgendwo innerhalb
des Einzugsbereichs des angesprochenen Drahtes stattgefunden haben, dies
liefert die erste Ortsinformation. Da sich die Kammer im Magnetfeldes befindet,
verläuft dieser Einzugsbereich nicht parallel zum elektrischen Feld,
sondern ist um den Lorenzwinkel (aL)
zu diesem geneigt. Die Form des Einzugsbereiches wird noch durch verschiedene
Feldformungs- und Gitterdrähte beeinflußt.
Kennt man den Zeitpunkt der Primärionisation,
so kann man deren Entfernung vom Draht über eine Orts-Driftzeit-Beziehung
ermitteln. Da sich das 100 MeV Elektron praktisch mit Lichtgeschwindigkeit
bewegt, während die Driftgeschwindigkeit etwa 104 mal geringer
ist, reicht ein für die gesamte Spur gültiger Nullzeitpunkt.
Dieser wird
durch den Trigger geliefert. Die Orts-Driftzeit-Beziehung
wird durch Kalibration bestimmt. Aus dem Abstand der Primärionisation
vom Draht kann man deren Ort (x- und y-Koordinate) innerhalb des Driftbereichs
ermitteln.
Mit Hilfe der speziellen Kalibration der Driftkammer
erhält man aus dieser Ortsinformation eine Isochrone.Diese
verläuft parallel zum Draht in z-Richtung und hat senkrecht dazu in
der x/y-Ebene in der DC1 etwa Halbkreisform. Die Ortsauflösung einer
solchen Kammer wird u.a. durch die Anzahl der Drähte, die Driftgeschwindigkeit,
die Diffusion der Elektronenwolke im Gas und durch die Zeitauflösung
der Ausleseelektronik bestimmt.
Die wichtigsten Daten der beiden Kammern DC1
und DC2 sind in Tabelle 3.1 zusammengefaßt.
(a)
(b)
Abb. 3.3. Schematische Darstellung der Kammern DC1 und DC2.(a) ein Schnitt
durch die x/y-Ebene, in (b) ist die Ebene der Kathodenstreifen (Mantelfläche
der DC1) abgerollt dargestellt.
3.6.1 Die innere Driftkammer DC1
Die innere Driftkammer DC1 soll wie bereits erwähnt
eine möglichst genaue Vermessung der Spur in allen drei Koordinaten
ermöglichen um eine z-Koordinate messen zu können, besitzt die
DC1 zusätzlich zu der Driftkathode und den 384 Anodendrähten
noch eine äußere Kathodenebene. Diese besteht aus 192 Streifen,
die spiralförmig um die Kammer laufen. Die Wolke der im Verstärkungsbereich
erzeugten Kationen induziert einen Puls auf einem oder mehreren der nächsten
Kathodenstreifen. Kennt man Anodendraht und Kathodenstreifen, kann man
den Schnittpunkt beider ermitteln und
erhält so die noch fehlende z-Koordinate.
Damit jeder Kathodenstreifen maximal einen Schnittpunkt mit einem der Anodendrähte
hat, darf er nur knapp einmal um die Kammer laufen. Außerdem soll
die Überschneidung möglichst kurz sein, um eine hohe Ortsauflösung
zu erhalten. Aus diesem Grund sind die Streifen in der Mitte geteilt und
haben einen Winkel von 72.23° zu den Anodendrähten.
Der Drehsinn der Kathodenstreifen in den beiden Kammerhälften ist
entgegengesetzt (s. Abb. 3.2). Dadurch wird erreicht,
daß Elektronspuren, die aus dem Target kommen, sowohl bei positivem
als auch bei negativem z-Vorschub möglichst viele Kathodenstreifen
kreuzen. Durch diese Konstruktionsmerkmale und das CO2 als Driftgas
erhält man eine Ortsauflösung von 0.2 mm in der x/y-Ebene und
1.4 mm in z.
|
DC1 |
DC2 |
Innendurchmesser |
75.26 cm |
89.7 cm |
Außendurchmesser |
88.9 cm |
131.8 cm |
Länge |
150 cm |
150 cm |
Anodendrähte/-zellen |
384 |
96 |
Driftgas |
70% CO2
30% Isobutan |
88% He
12% Isobutan |
Driftgeschwindigkeit |
0.95 cm/ s |
1.3 cm/ µs |
Lorenzwinkel bei B=1.2 T |
6° |
32° |
Kathodenstreifen |
2 * 192 |
------ |
Ortsauflösung in x/y-Ebene |
0.2 mm |
1.5 mm |
Ortsauflösung in z-Richtung |
1.4 mm |
------ |
Tabelle 3.1. Die wichtigsten Daten der beiden Kammern DC1 und DC2.
3.6.2 Die äußere Driftkammer DC2
Die DC2 entspricht im wesentlichen der am Anfang
dieses Kapitels gemachten Beschreibung. In der DC2 sind die Anodendrähte
zu 96 Zellen zusammengefaßt (s. Abb.3.2). Alle
Drähte einer Zelle werden gemeinsam ausgelesen. Dadurch und durch
das Helium als Driftgas erhält man eine bedeutend geringere Ortsauflösung
(1.5 mm) als in der DC1.
Da die DC2 keine Kathodenstreifen hat, erhält
man nur x- und y-Koordinaten des Isochronenmittelpunktes.
Die DC2-Hits werden hauptsächlich benutzt,
um die sehr genau vermessenen Spurstücke in der DC1 zu verbinden.
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