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5. Einbau der Vielfachstreuung ins Fitverfahren

Wie im letzten Kapitel beschrieben, fehlt beim bisherigen Impulsfitprogramm die Berücksichtigung von Vielfachstreuung (MS) und Energieverlust. Die Folge davon ist, daß zwar in den meisten Fällen der Impuls im wesentlichen richtig bestimmt wurde [Do 91], ein zugehöriger Impulsfehler beim Fit aber falsch berechnet wurde. In diesem Kapitel soll über den Einbau der MS in das Fitverfahren gesprochen werden. Der Fitbereich liegt in der DC1- und DC2-Driftkammer, die verwendeten Abkürzungen findet man in Abb. 4.1.
Vielfachstreuung wird sowohl im Gas beider Kammern, als auch in der Zwischenwand zwischen DC1 und DC2 auftreten. Die MS in der Zwischenwand kann auf zwei Arten im Fit berücksichtigt werden. Sie kann entweder explizit durch weitere Fitparameter aufgenommen werden oder sie kann als Fehlerquelle in der Kovarianzmatrix (KM) der Hitfehler berücksichtigt werden. Bei der ersten Methode werden vier zusätzliche Streuwinkel, zwei an jedem Wanddurchstoßpunkt, im Fit aufgenommen. Man erhält einen 9-Parameter-Fit.
Es kann gezeigt werden, daß beide Verfahren für den Fit die gleichen Spurparameter für den Anfangspunkt A liefern [Bi 85].
Der 9-Parameter-Fit hat den Vorteil, daß durch ihn die Spur in ihrem ganzen Verlauf genauer bekannt ist. Dies kann benutzt werden, um Fehler bei der Rekonstruktion der Spur zu beheben, also Hits aus dem Fit zu entfernen, die überdurchschnittlich weit von der gefitteten Spur entfernt sind. Dieses Verfahren hat aber auch zwei Nachteile: einerseits kann man es nicht für die MS im Kammergas benutzen, andererseits müssen die Hits zwischen den Wandstreuzentren gut bekannt sein. Letzteres ist nicht erfüllt, da die DC2-Hits überhaupt keine z-Information bieten und in x/y größere Meßfehler als die DC1-Hits aufweisen. Bisherige 9-Parameter-Fits von Monte-Carlo-Ereignissen haben keine ähnlich befriedigenden Ergebnisse geliefert wie der 5-Parameter-Fit mit vollständiger KM.
Die MS im Gas ist zwar viel geringer als die in der Wand zwischen DC1 und DC2, aber dafür ist die Strecke im Gas viel größer.
Für Spuren, die eine große Strecke in der DC2 zurücklegen (z.B. im extremen Fall einen Halbkreis, s. Abb. 5.2) ist der Einfluß der MS durch das Gas sogar bedeutend größer als der durch die Zwischenwand. Hierbei geht maßgeblich die nach der Streuung zurückgelegte Strecke ein, wobei in x/y zusätzlich noch die Krümmung der Spur berücksichtigt werden muß, da etwa nach einem halben Umlauf sich ungestreute und gestreute Spur wieder treffen. Es darf daher weder die MS im Kammergas noch die in der DC1/DC2-Zwischenwand vernachlässigt werden.
Im weiteren wird nur mehr die Methode bei Verwendung der vollständigen KM verfolgt.
Die Kovarianzmatrix der Hitabstände zur gefitteten Spur setzt sich aus mehreren Teilen zusammen. Da diese voneinander unabhängig sind, kann man sie einzeln bestimmen und addieren. Diese Teile lassen sich in zwei Gruppen aufteilen, in die Varianzen der Hitfehler (s.5.1) und die Kovarianzen der Fehler des Spurmodells (s. 5.2).

5.1 Fehler der Ortsbestimmung der Hits

Sowohl bei der Messung der Driftzeiten als auch bei der Umrechnung in Orte über die Orts-Driftzeit-Beziehung treten Fehler auf. Diese sind zwar von der Driftzeit abhängig, allerdings genügt es, wie in [Do 91] gezeigt, einen mittleren driftzeitunabhängigen Fehler anzunehmen. Damit erhält man:

                                                (5.1)

si = 0.021 cm für Anodenhits aus der DC1
si= 0.14 cm für Kathodenhits aus der DC1
si= 0.15 cm für Anodenhits aus der DC2
Diese Matrix ist, wie bereits erwähnt, diagonal.

5.2 Fehler des Spurmodells durch Vielfachstreuung

Die Vielfachstreuung (MS) beeinflußt die gesamte Spur nach ihrem Auftreten. Die Fehler einzelner Spurpunkte sind somit nicht unabhängig voneinander, die Kovarianzmatrix (KM) nicht diagonal. Wären sowohl die ungestreute wie die gestreute Spur bekannt, könnte man die KM aus den Abständen der Spur im Bereich der Hits bestimmen:
                                                        (5.2)
 

Für eine Spur mit zumindest ungefähr bekannten Spurparametern läßt sich mit Hilfe von Monte-Carlo-Rechnungen (MC) eine mittlere Kovarianzmatrix bestimmen. Dazu werden N Ereignisse mit gleichen Spurparametern, aber unterschiedlicher MS und ein Referenzereignis ohne MS berechnet. Durch Vergleich der N gestreuten Spuren mit der ungestreuten erhält man N Kovarianzmatrizen. Mittelt man diese, erhält man eine durchschnittliche KM für alle Ereignisse mit den gleichen Anfangsbedingungen. Da die ungestreute Spur und somit deren Parameter im Fit nicht bekannt sind, nimmt man die entsprechenden Startwerte aus dem Fit. Um eine größere Genauigkeit zu erhalten, kann man auch jeweils für jeden Fitdurchlauf die Parameter des vorigen nehmen und CMneu berechnen. Somit erhält man:
                                            (5.3)
 

Setzt man diese Kovarianzmatrix in den Fit ein, so erhält man sowohl gute Spurparameter als auch die richtigen Fehler [Do 91].

Um ein statistisch gutes Mittel der KM zu erhalten, bedarf es allerdings einer großen Anzahl von Ereignissen, denn die Zahl der Freiheitsgrade ist sehr groß. Dieses Verfahren ist aber für den Einsatz in der Praxis unbrauchbar, da die Erzeugung der Monte-Carlos pro Ereignis mehrere CPU-Stunden kosten würde. Es muß ein Weg gefunden werden, die KM direkt aus den Spurdaten zu berechnen.
Diese Aufgabe wird in den nächsten Unterkapiteln erledigt. Zuerst werden der Einfluß einer einzigen Streuung auf den weiteren Verlauf der Spur und die Abstände zwischen gestreuter und ungestreuter Spur berechnet (s. 5.2.1). Dies wird dann verwendet, um die Kovarianzen für Hits im Bereich III durch die MS in der Zwischenwand DC1/DC2 (s. 5.2.2), infolge MS im DC2-Gas (s. 5.2.3) und im DC1-Gas (s. 5.2.4) zu bestimmen. In 5.2.5 werden die entsprechenden Formeln für die DC2-Hits (Bereich II) aufgeführt. In 5.2.6 wird begründet, weshalb für Hits des Bereichs I keine Kovarianzen infolge MS berechnet werden müssen, und in 5.2.7 wird beschrieben, wie aus den einzelnen Kovarianzen die gesamte KM berechnet wird. Die einzelnen Kapitel sind teilweise noch weiter unterteilt nach Anoden-/Kathodenhits bzw. nach der Projektion (x/y oder b/z), in der der Fehler berechnet wird.

5.2.1 Einfluß von einer Streuung an einem festen Ort auf die Spur

Zur Berechnung der Kovarianzen werden die durch Vielfachstreuung auftretenden Abstände zwischen gestreuter und ungestreuter Spurbenötigt. Zuerst wird hier der Abstand der Spuren berechnet, wenn eine Streuung an einem festen Ort stattfindet. Daraus können dann in den nächsten Kapiteln die Abstände ermittelt werden, die bei Streuung an mehreren Punkten auftreten.

Da die Vielfachstreuung den Betrag des Gesamtimpulses P. nicht ändert, reichen zwei Parameter, um sie anzugeben. Davon gibt der eine (d) die Stärke der Impulsrichtungsänderung an und der andere (F) deren Azimutalwinkel (s. Abb 5.1). Zur Beschreibung dieser beiden Größen ist es einfacher, vorübergehend in einem anderen Koordinatensystem zu rechnen. Die drei orthonormalen Basisvektoren sind: e, e1und e2. ezeigt in Richtung des ungestreuten Impulses, die beiden anderen sind beliebig in der Ebene senkrecht zu e. Der ungestreute Impuls ist:
                                                                            (5.4)
Der gestreute Impulsvektor läßt sich mit den drei Basisvektoren schreiben:
                                      (5.5)
Ersetzt man v und w durch d und F und fordert, daß der Gesamtimpuls erhalten bleibt, so erhält man:
        (5.6)


 

Abb. 5.1. Räumliche Darstellung der Impulsvektoren Pund Pgmit d = tan e ; Pi = p dei (i=1,2), dies sind zwei zu P orthogonale Vektoren.
Da die Vielfachstreuung als klein angenommen wird, werden im folgenden alle Formeln bis in 1. Ordnung in d taylorentwickelt. Von jetzt an bedeutet '' gleich bis auf Terme in O( d2):
                    (5.7)
Für die weitere Berechnung werden die Impulsvektoren im Koordinatensystem des Detektors (s. Abb. 3.1) benötigt. Um die Rechnungen zu vereinfachen, wird angenommen, daß P keine Komponente in x-Richtung hat. Dies ist wegen der Rotationssymmetrie keine Einschränkung. Mit Hilfe des bereits als Spurparameter bekannten a2  ergibt sich der Einheitsvektor ewie folgt:
                                                                          (5.8)

Mit der folgenden speziellen Wahl von e1 und e2 erhält man aus (5.7):
                              (5.9)

                                                (5.10)

Hieraus lassen sich alle weiteren Spurdaten der gestreuten Spur in Abhängigkeit der ungestreuten berechnen. Der Spurradius R in x/y ist proportional zum Transversalimpuls (Kap 3.1):
                                                                 (5.11)

                                            (5.12)

                      (5.13)

                                                                        (5.14)
Da definitionsgemäß px=0, läßt sich die Projektion (W) des Streuwinkels (e=arctg d) in die x/y Ebene aus dem Verhältnis zwischen x- und y-Impuls bestimmen:
                                                                           (5.15)

                                                           (5.16)
Das Verhältnis zwischen z- und Transversalimpuls ergibt sich zu:
               (5.17)

                                                    (5.18)

a) Abweichung der Spur in der x/y - Ebene

Aus der Änderung der Spurparameter infolge einer Streuung können jetzt die Abstände der gestreuten und ungestreuten Spuren im Bereich der Hits bestimmt werden.
Durch die Änderung des Spurkreisradius und die Richtungsänderung des Transversalimpulses (W) verschiebt sich der Spurkreismittelpunkt (s. Abb. 5.2):
                             (5.19)

                                (5.20)
Damit läßt sich der Abstand eines Punktes mit Spurwinkel jg auf der gestreuten Spur zum Mittelpunkt der ungestreuten berechnen (s. Abb. 5.2):
  (5.21)

(5.22)
Da bei der Auswertung nicht zwischen den verschiedenen Spurwinkeln unterschieden werden kann, wird ab jetzt nur jstatt jg geschrieben. Für die hier gemachten Berechnung in O(d ) ist dies keine weitere Näherung.

Der Abstand zum entsprechenden Punkt auf der ungestreuten Spur ist R, damit ergibt sich der Spurfehler zu (vergleiche Kap 4.3.1):
    (5.23)
 

Der untere bei D verwendete Index gibt an, ob es sich um den Abstand in x/y (T) oder den in z (z) handelt.

Abb. 5.2. Projektion der ungestreuten und gestreuten Spur in die x/y-Ebene. Die Streuung findet am Punkt B statt, danach laufen die Teilchen im Uhrzeigersinn.

b) Abweichung der Spur in z

Entsprechend zum vorigen Abschnitt werden hier die Abstände der beiden dort definierten Punkte in z bestimmt. Dazu wird zuerst deren z-Koordinate aus der zurückgelegten Bogenlänge ( b = Rj ) und aus a und ß berechnet:
                  (5.24)
 

Damit ergibt sich der Spurfehler in z zu:

                                                    (5.25)


 

Abb. 5.3. Die verschiedenen Spurwinkel.

5.2.2 Abweichung der Spur im Bereich III durch MS in der Zwischenwand DC1/DC2

Zuerst soll der für den Fit wichtigere und mathematisch aufwendigere Fall der Abweichung im Bereich III betrachtet werden. Im Gegensatz zum Bereich II wird hier die Berechnung ausführlich angegeben. Die Formeln für die Abweichung im Bereich II können dann, durch Vereinfachung der hier gefundenen, hergeleitet werden.
Beim Erreichen des Bereichs III hat das Elektron zweimal die DC1/DC2 Zwischenwand durchstoßen. Bei kleiner Streuung kann die zweite unabhängig von der ersten genommen werden. Es ergibt sich somit die Gesamtabweichung als Summe der beiden einzelnen:
  (5.26)

(5.27)
wobei j bzw. j-Y der Spurwinkel ab dem ersten bzw. zweiten Streupunkt ist (s. Abb. 5.3). Der obere Index W bezeichnet die Abweichung durch MS in der Zwischenwand.
Um die Berechnung der KM unabhängig von einzelnen MC-Ereignissen zu machen, muß man in (5.3) die Summe über die Ereignisse mit verschiedenen di und Fi durch eine Integration über diese Größen ersetzen. Dabei müssen Wahrscheinlichkeiten für das Auftreten von di und Fi eingesetzt werden; diese sind voneinander unabhängig.

Die Verallgemeinerung von (5.3) führt für ein Element der KM zu:
(5.28)
K steht als Abkürzung für die Kovarianzen K i j (ji , jj , d1 , d2 , F1 , F2 ). Die D(ji) sind die Abstandsfunktionen aus (5.26) bzw. (5.27). W sind Wahrscheinlichkeitsfunktionen.

Als Wahrscheinlichkeitsverteilung für MS als Funktion von dkann eine Gaußverteilung angenommen werden. Für alle Berechnungen bis zum 2. Grad in dgenügen jedoch die folgenden Einschränkungen:
                                                        (5.29)

(5.30)

                                            (5.31)

Da die Verteilung in F isotrop ist, gilt:

                                                                                                                                              (5.32)

                                                     (5.33)

                                                                                                                             (5.34)
Setzt man dies in (5.28) ein, so erhält man:

(5.35)

Die Indizes k und l bezeichnen die Art der Hits bzw. die entsprechende Formel für die Abweichung, also DC1-Anode (T), DC1-Kathode (Z) oder DC2-Anode (t). Der Index m gibt das streuende Medium (W für Wand; G1 für DC1-Gas und G2 für DC2-Gas, die beiden letzten werden erst in 5.2.3 und 5.2.4 behandelt) an. In den nächsten Abschnitten werden die verschiedenen Dmk in diese Formel eingesetzt und die Integration durch
geführt.

a) Kovarianz zwischen zwei Anodenhits

Da hier die Kovarianz zwischen zwei Anodenhits berechnet werden soll, muß in (5.35) DWT aus (5.26) eingesetzt werden. So ergibt sich nach Integration:

                           (5.36)
SW ist die Konstante aus (5.31) für die MS in der Wand. Beim Vergleich dieser Kovarianzmatrix mit der aus Monte-Carlo-Rechnungen stellt sich heraus, daß sie für Spuren mit z-Impuls = 0 und Y~p relativ schlecht ist. Setzt man in (5.36)z.B. a=0 und Y=p und ji= jj  ,so bleibt nur:

                       (5.37)

Dies ist am zweiten Streupunkt 0, d.h. die Varianz der Hits in der Nähe des Punktes C wäre 0, sie lägen also auf der ungestreuten Spur. Für diese Spuren ist somit der 1. Grad in dfür die Berechnung von DWT nicht ausreichend. Eine komplette Berechnung DWT bis zum 2. Grad ergibt einen sehr umfangreichen Term. Da aber nur Spuren mit a~0 betroffen sind, können Terme in ad2vernachlässigt werden. Man erhält für die Parameter der gestreuten Spur:
                                                                       (5.38)

                                                                                                              (5.39)

                                                                                               (5.40)
Berechnet man damit den Fehler der Spur, so erhält man zusätzlich zu den Termen in (5.23):
                                  (5.41)

Da dieser Zusatzterm nur nach etwa einem halben Umlauf wichtig ist, braucht er nur bei der ersten Streuung, nämlich der in Punkt B, berücksichtigt zu werden. Aus (5.26) wird so:

   (5.42)

Um dies über die Wahrscheinlichkeitsfunktionen zu integrieren, reichen (5.29) bis (5.31) nicht mehr aus, man braucht noch das Integral: int(-inf,inf) d4 W(d) dd. Nimmt man für W(d) eine Gaußverteilung an, erhält man:

                   (5.43)

Damit kann der Zusatzterm zu (5.36) berechnet werden:
                   (5.44)
 

b) Kovarianz zwischen zwei Kathodenhits

Setzt man in (5.35) DWZ aus (5.27) ein, so ergibt sich nach Integration:

                   (5.45)

Da die Probleme bei a) nur durch die Krümmung der Spur auftraten, ist es hier nicht nötig, höhere Ordnungen in d zu berechnen. Auch bei allen folgenden Beiträgen zur Kovarianzmatrix ist dies nicht nötig.

c) Kovarianz zwischen einem Anoden- und einem Kathodenhit

Setzt man in (5.35) einmal DWT aus (5.26) und das andere Mal DWZ aus (5.27) ein, so ergibt sich nach Integration:

                   (5.46)

j1 ist der Spurwinkel des Anoden- und j2 der des Kathodenhits.

d) Bestimmung des Streuparameters SW

Die Größe SW ist keine Konstante, sondern hängt von der Strecke (dW) ab, die das Elektron in der Wand zurückgelegt hat, und von der Energie des Elektrons. Diese Abhängigkeit kann man entweder versuchen theoretisch zu berechnen, oder man kann sie
durch Anpassung der nach (5.36) bis verschiedenen Spurparametern berechnet. Aus jedem Satz von gleichartigen (mit gleichen Spurparametern, aber unterschiedlicher MS) Ereignissen wird SW bestimmt, in dem die Diagonalelemente der beiden Matrizen einzeln dividiert und die Resultate ge
mittelt werden (s. Anhang C.3).
Aus diesen etwa 15 Werten wurde die Abhängigkeit von dW [cm] ermittelt. Bei einer Teilchenenergie von 100 MeV ergibt sich z.B. :
                   (5.47)

Eine lineare Abhängigkeit von dW erhält man aus dem Fit. Vergleicht man dies aber mit den später berechneten Formeln für Vielfachstreuung im Gas, so erhält man das gleiche Ergebnis. Dabei muß man berücksichtigen, daß die in der Wand zurückgelegte
Strecke klein im Vergleich zu der Strecke vom Streuzentrum bis zum betrachteten Hit ist.
Die Abhängigkeit von der Energie (E) des Elektrons ist aus den vier Daten nur abzuschätzen. Die Werte liegen etwa auf einer Geraden (s. Abb. 5.4). Eine lineare Regression ergibt:
                   (5.48)


 

Abb. 5.4. Die Abhängigkeit SW2 von der Energie des Elektrons.

5.2.3 Abweichung der Spur im Bereich III durch MS im DC2-Gas

Die Streuung in der Wand tritt nur an zwei Punkten auf. Verallgemeinert man die Berechnungen auf N Punkte, so erhält man statt (5.26) bzw. (5.27):

                   (5.49)

Die di und Fi der einzelnen Streuzentren sind hier zu Vektoren zusammengefaßt. Zur Berechnung der Kovarianzen werden jeweils Produkte zweier solcher Terme benötigt:

                   (5.50)

Integriert man dies über diund dkmit der entsprechenden Wahrscheinlichkeitsfunktion für alle i, k (also N Integrale) und faßt alle von unabhängigen Terme zu F zusammen, so erhält man:

   (5.51)

In der Doppelsumme fallen alle Terme weg, bei denen i und j verschieden sind (wegen der Symmetrie 5.30). Die Doppelsumme wird so zu einer einfachen:

                   (5.52)

Wegen (5.28) und (5.30) kann man das Integral über d1 wie folgt abtrennen:

          (5.53)
Dies geht entsprechend mit allen anderen di , man erhält eine Summe von Integralen der Form:
                   (5.54)
In dieser Form kann man jetzt einfach den Übergang von der Summe über i zum Integral über die Strecke (ds) in der DC2 durchführen. Setzt man wieder statt F die richtige Funktion ein und integriert auch über F, so erhält man:

                   (5.55)

Dies entspricht (5.35), aber ohne Näherung für kleine Strecken im streuenden Medium. Da hier nicht über eine Strecke sondern über den Spurwinkel Y in der DC2 integriert wird, mußte noch mit R*(1+a2)1/2multipliziert werden. Außerdem ist es notwendig, vom Quadrat des Streuwinkels zum differentiellen Quadrat des Streuwinkels überzugehen. Dies wird durch eine Umdefinierung von d2 bzw. später von S2Gi berücksichtigt:

                                                                                  (5.56)

a) Kovarianz zwischen zwei Anodenhits

Setzt man in (5.55) DgT aus (5.23) ein, so ergibt sich nach Ausführen der Integration:
                      (5.57)

b) Kovarianz zwischen zwei Kathodenhits

Setzt man in (5.55) DgZ aus (5.25) ein, so ergibt sich nach Integration:

                   (5.58)

c) Kovarianz zwischen einem Anoden- und einem Kathodenhit

Setzt man entsprechend in (5.55) zum einen DgT aus (5.23) und zum anderen DgZaus (5.25) ein, so ergibt sich nach der Integration:

                   (5.59)
Bei dieser Formel ist die Reihenfolge der Indizes T und Z wichtig. Wie bei (5.35) definiert entspricht j1 dem ersten Index, hier T, ist also der Spurwinkel des Anodenhits, entsprechend ist j2 der Spurwinkel des Kathodenhits.

d) Bestimmung des Streuparameters SG2

SG2 ist im Gegensatz zu SW nicht mehr von der Spurlänge im Streumedium abhängig, da die Abhängigkeit von der Spurlänge durch die Integration über d( R*(1+a2)1/2 Y2) bereits in der Formel vorhanden ist (s.o.). Der Fit der noch fehlenden Konstanten kann
gemeinsam mit dem für SG1(MS in der DC1, Bereich I) durchgeführt werden. Die Details der Berechnung sind dort (5.2.4.c) aufgeführt, hier wird nur das Resultat angegeben:                         (5.60)  

5.2.4 Abweichung der Spur im Bereich III durch MS im DC1-Gas

a) DC1-Gas im Bereich I

Der Unterschied zur MS im Bereich II (DC2) ist nur, daß sie in einem anderen Bereich stattfindet und das Gas in der DC1 ein anderes ist. Den ersten Punkt kann man dadurch berücksichtigen, daß man in den entsprechenden Formeln jdurch j+YI und Y
durch YI ersetzt. Dabei ist YI der Spurwinkel im Bereich I (s. Abb. 5.3) . Das unterschiedliche Gas wird durch eine andere Konstante (SG1) berücksichtigt. Damit erhält man für die drei Arten der Kovarianzen aus (5.57) bis (5.59):
                     (5.61)

  (5.62)

        (5.63)
 

b) DC1-Gas im Bereich III

Da die Streuung nur dann große Effekte auf die Abweichung hat, wenn die Strecke zwischen Streuzentrum und der Stelle, an der die Abweichung bestimmt wird, groß ist, kann die Streuung im DC1 Gas des Bereichs III vernachlässigt werden. Dies gilt vor allem, da die MS im DC1-Gas klein im Vergleich zur MS in der Wand ist.

c) Bestimmung der Streuparameter SG1 und SG2

Zur Anpassung der Kovarianzen durch MS im Gas wurden Monte-Carlos mit MS in der Wand und in beiden Gasen verwendet, von der daraus berechneten Kovarianzmatrix wurde die nach oben beschriebener Methode berechnete für MS in der Wand sub
trahiert und der Rest angepaßt:
                                         (5.64)
Die Matrizen Kisind die in den vorigen Kapiteln beschriebenen ohne den jeweiligen Streuparameter. Aus dem so erhaltenen Gleichungssystemlassen sich beide Streuparameter ( SG1 und SG2) bestimmen. Dies ist mit ausreichender Genauigkeit möglich, da sich die Struktur der beiden Kovarianzmatrizen aus MS im DC1/2-Gas stark unterscheidet. Dies liegt an der unterschiedlichen Weglänge der Spur vom Streuzentrum bis zum betrachteten Punkt im Bereich III. Während der Abstand in z linear mit der zurückgelegten Strecke wächst, nimmt der in x/y abwechselnd (zweimal pro Umlauf) ab und wieder zu (s.Abb. 5.2), d.h. je länger die Spur, um so kleiner sind die Anoden-Kovarianzen im Vergleich zu den Kathoden-Kovarianzen. Die so erhaltenen Werte für SG1 und SG2 werden dann wieder in Abhängigkeit von der Energie angepaßt:
    (5.65)
    (5.66)

5.2.5 Abweichung der Spur im Bereich II

Hier werden alle Einträge zur KM behandelt, bei denen mindestens ein Hit im Bereich II (DC2) ist. Da bei der Integration über d nur Terme in d2 erhalten bleiben (vergl 5.30 und 5.31), kann nur die MS durch Material vor dem ersten Hit in die KM eingehen, d.h. das DC1-Gas, der erste Wanddurchstoß und das DC2-Gas vor dem ersten Hit. Man kann die Kovarianzen des Bereichs II also aus denen für den Bereich III herleiten, indem man o.g. Änderungen vornimmt. So ist Y z.B. nicht mehr der gesamte Spurwinkel in der DC2, sondern nur der bis zum ersten Hit. Da die KM symmetrisch ist, kann man o.B.d.A. annehmen, daß j1 <= j1 ist. Damit gilt dann Y=j1

a) Abweichung der Spur durch MS in der Zwischenwand DC1/DC2

Setzt man in die allgemeine Formel (5.35) die Abstandsfunktionen für eine einzelne Streuung (5.23) und (5.25) ein, so erhält man die hier gesuchten Kovarianzen:

                (5.67)

                                                                         (5.68)

Wie bereits bei (5.35) erwähnt wird für DC2-Anoden der Index t benutzt. Eine Kovarianz KWzZ gibt es nicht, da es in der DC2 keine Kathoden gibt.

b) Abweichung der Spur durch MS im DC1-Gas

Da auch auf die Spur im Bereich II das gesamte DC1-Gas wirkt, ändert sich im Vergleich zu den Kovarianzen für den Bereich III nichts, (5.59) und (5.61) gelten entsprechend.

c) Abweichung der Spur durch MS im DC2-Gas

In den entsprechenden Formeln (5.57) und (5.59) für Hits im Bereich III muß nur bereits o.g. Neudefinierung von Y vorgenommen werden. Man erhält:
                           (5.69)

       (5.70)

5.2.6 Abweichung der Spur im Bereich I

Da die Kovarianzen im Bereich I bzw. zwischen Bereich I und einem anderen sehr klein sind, rentiert sich der beachtliche Mehraufwand für ihre Berechnung nicht. Bei den üblichen Fits werden nur DC1-Hits berücksichtigt. Bei etwa gleicher Anzahl Hits in den Bereichen I und III halbiert sich also die Dimension des nicht diagonalen Anteils der KM, d.h. der Rechenaufwand sinkt auf ein Viertel. Bei der Invertierung der KM sinkt der Rechenaufwand sogar auf ein Achtel.

5.2.7 Berechnung der gesamten Kovarianzmatrix und ihrer Inversen

Mit Hilfe der Startparameterdes Fits werden die ji ermittelt. Damit werden dann die vier Teile der KM berechnet: MS in der Wand (proportional S2W), MS in der Wand (proportional S4W), MS im DC1-Gas und MS im DC2-Gas. Diese vier Anteile werden dann mit dem entsprechenden Streuparameter (nach 5.48; 5.65; 5.66) multipliziert und zur gesamten KM addiert:

         (5.71)

Zu den Diagonalelementen werden noch die Varianzen aus den Hitfehlern addiert (CH)(s. Kap. 5.1) und falls gewünscht, dazu noch die KM durch Energieverlust (CL) (s.Kap. 6) addiert (s. Abb 6.6). Bei der Inversion wird nur der nichtdiagonale Teil (Bereiche II und III) mit Hilfe der Routine spxinv aus der CERN-Library invertiert. Beim diagonalen Teil brauchen nur die Diagonalelemente einzeln invertiert zu werden. Im Regelfall wird diese KM für alle Fitdurchgänge verwendet. Im Fall, daß Hits bei einer Iterationsstufe wegfallen oder hinzukommen, wird die KM neu berechnet.

Vergleicht man die so erhaltene Matrix CS mit der aus Monte-Carlos CM so erkennt man die gleiche Struktur. Im Detail gibt es wie erwartet Unterschiede; diese sind aber auch zwischen mehreren CM aus unterschiedlichen Monte-Carlos zu beobachten. Zu
sätzlich erschwert wird der Vergleich dadurch, daß bei der Berechnung von CM und CS teilweise unterschiedliche Hits verwendet werden. Die beiden Matrizen haben so unterschiedliche Dimensionen (s. Abb. 5.5)
 


 
 

(a)

(b)

Abb. 5.5. Vergleich der mit TRACKFIT berechneten Kovarianzmatrix (b) mit der aus Monte-Carlos berechneten
(a). Die unterschiedliche Dimension liegt daran, daß bei (a) nur die Hits verwendet werden konnten, die bei fast allen Events vorkommen.

5.3 Ergebnisse durch die Berücksichtigung der Vielfachstreuung.

Der Hauptgrund für den Einbau der Vielfachstreuung in den Fit war, die Angabe eines Fehlers zu ermöglichen. In die Berechnung der Fehler des gefitteten Impulses geht maßgeblich die KM der Hitfehler ein. Nimmt man hier nur die reinen Meßfehler an, erhält man durch Fehlerfortpflanzung einen viel zu kleinen Fehler, der mit dem Fitergebnis ausgegeben wird.
Um dies zu überprüfen, wurden Monte-Carlo-Ereignisse mit Vielfachstreuung und Energieverlust gerechnet. Diese wurden zum Vergleich einmal mit diagonaler und einmal mit vollständiger KM gefittet. Aus den wirklichen Impulsen aus GEANT  (pG)und
den Impulsen des TRACKFIT (pT) läßt sich zu jedem Ereignis der Fehler des Fits berechnen. Teilt man diesen durch den vom TRACKFIT ausgegebenen Fehler sp

                                                                                            (5.71)

und trägt darüber die Häufigkeit auf, sollte sich eine N(0,1)-Verteilung  ergeben. Bei dem Fit mit diagonaler KM erhält man eine N(-2.7,4.3)-Verteilung (s. Abb. 5.6.b). Die Abweichung des Mittelwertes ist besser zu interpretieren, wenn man pG-pT betrachtet (s. Abb. 5.6.a). Der gefittete Impuls ist durchschnittlich 0.18 MeV/c geringer als der aus dem GEANT. Dies ist dadurch zu erklären, daß das TRACKFIT zwar den Impuls am Punkt A berechnet, aber da ein konstanter Gesamtimpuls angenommen wird, erhält man einen zu niedrigen Impuls. Der gefittete Impuls liegt zwischen dem an Punkt A und dem an Punkt D. Die Breite der Verteilung von 4.3 sagt aus, daß der vom TRACKFIT ausgegebene Fehler um einen Faktor 4.3 aus o.g. Gründen zu klein ist.
Berücksichtigt man beim Fit die MS, aber nicht den Energieverlust (s. Abb. 5.6.c und d), so wird die Breite der Verteilung besser. Man erhält eine Breite von 1.3. Dies zeigt, daß die Fehlerberechnung durch Einführen der Vielfachstreuung in die Berechnung der KM fast richtig geworden ist.

                    (a)                                              (b)

                    (c)                                             (d)
 

Abb. 5.6. Impulsfehler des TRACKFIT [(a) und (c)] und normierter Impulsfehler DpN [(b) und (d)] aus Monte-Carlos von l-6 e- Ereignissen mit Vielfachstreuung (MS) und Energieverlust (EL). (a) und (b) ohne Berücksichtigung von MS und EL im Fit, (c) und (d) nur mit Berücksichtigung von MS. Gefittet wurde nur mit den DC1-Hits. Die Anpassung der Gaußkurven ist v.a. in (b) schlecht. Um Mittelwert und Breite der Verteilung zu bestimmen, ist die Genauigkeit ausreichend.


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