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6. Modifikation des Spurmodells durch Berücksichtigung
des Energieverlustes
Bisher enthielt
das Spurmodell keinen Energieverlust. Dadurch trat beim Fit ein systematischer
Fehler von etwa 0.18 MeV/c auf (s. Abb. 5.6).
Da der Energieverlust (EL) von statistischer
Natur ist, kann er nicht genau aus den Spurparametern abgeleitet werden.
Eine Möglichkeit, den EL zumindest in der Wand zu berücksichtigen,
wäre, zwei neue Spurparameter in den Fit aufzunehmen. Doch da auf
diese Art der EL im Gas nicht berücksichtigt werden kann, erscheint
ein anderer Weg sinnvoller. Die hier benutzte Methode beruht darauf, aus
Monte-Carlo-Ereignissen einen mittleren Energieverlust pro Strecke in den
verschiedenen Medien zu bestimmen. Nach jedem Helixstück in der Spurberechnung
wird dann die Energie des Teilchens um den entsprechenden Betrag vermindert.
Der wirklich aufgetretene EL wird zwar i.a. nicht mit dem so berücksichtigten
übereinstimmen, doch sind die relativen Abweichungen von dem mittleren
EL gering: ~10%
(s. Abb.6.1-2). Die Streuung
des EL um den Mittelwert kann durch einen zusätzlichen Term in der
Kovarianzmatrix (KM) berücksichtigt wer
den.
6.1 Berechnung des Energieverlustes und seiner Ableitungen
nach den Spurparametern
Da im TRACKFIT
meistens die Bewegungskonstante K und nicht der Impuls p benutzt wird,
muß die Änderung von K innerhalb der Strecke eines Helixstückes
berechnet werden. Die Bewegungsgleichung für ein geladenes Teilchen
im Magnetfeld B
lautet:
(6.1)
Die Bewegungskonstante K ist für Teilchen der Ladung Q = ±e
:
(6.2)
(Die Konstante 0.29979 ergibt sich aus der
Lichtgeschwindigkeit multipliziert mit 10-9(durch die
Verwendung von MeV statt eV, cm statt m und kG statt T).
a) EL im DC1- und DC2-Gas
Beim Rechnen mit
EL wird aus der Konstanten K der gesamten Spur eine Konstante für
jedes Helixstück. Da sich p mit der zurückgelegten Strecke vermindert,
ergibt sich für Ki+1:
(6.3)
(6.4)
Li [MeV/c cm-1] ist der Impulsverlust (Li
< 0) pro Strecke (s. Abb. 6.2) im Medium des i-ten
Spurstückes und Di dessen Länge
(6.5)
(6.6)
Die Werte für den Impulsverlust stammen aus MCs. Sie wurden bei
verschiedenen Energien ermittelt, aber die Abhängigkeit von E ist
nicht signifikant, deshalb wird L als konstant angenommen.
Außerdem werden beim Fit die Ableitungen 1. Grades nach den Spurparametern
gebraucht. Die Ableitung von Ki+1 nach dem j-ten Spurparameter
ist:
(6.7)
b) EL in der Wand zwischen DC1 und DC2
Im wesentlichen gilt hier das gleiche wie im vorigen Abschnitt. Beim bisherigen
Fitverfahren wurde die Wand allerdings als unendlich dünn angenommen,
d.h. u.a., daß es keine Helixstücke gibt, die nur innerhalb
der Wand liegen. Um dies zu ändern, wäre es nötig, zwei
neue Spurbereiche einzuführen. Dies hätte den Nachteil, daß
die Variablenfelder im Programm unverhältnismäßig aufgebläht
würden, nämlich um den Faktor 5/3. Die Alternative ist, die Wand
weiterhin als dünn anzunehmen und beim Übergang von einem Bereich
zum nächsten den zusätzlichen EL zu berücksichtigen. Dabei
muß beachtet werden, daß für die Strecke in der Wand bereits
ein EL berücksichtigt wurde, nämlich so, als ob dort das Gas
des Bereiches vor der Wand wäre. Es muß also nur der Unterschied
zwischen EL in diesem Gas und dem in der Wand abgezogen werden. Für
das letzte Spurstück der Bereiche I und II gilt also:
(6.8)
(6.9)
DWand ist die Länge der Spur
in der Wand und kann länger sein als Di , da es vorkommt,
daß das vorletzte Helixstück in die Wand hineinreicht.
Die Ableitungen 1. Grades nach dem j-ten Spurparameter ist:
(6.10)
Für den Energieverlust in der Wand findet man bei m-
-> e- Monte-Carlos:
6.2 Einfluß des EL auf andere Spurgrößen
Durch die Berücksichtigung des Energieverlustes im Spurmodell werden
fast alle Spurparameter beeinflußt. Als Beispiel wird hier der Spurkreisradius
R betrachtet, er hängt über den Transversalimpuls des Teilchens
von der Energie ab. Er ist somit für jedes Spurstück neu zu berechnen.
Allerdings mußte dies auch schon bisher geschehen, da das B-Feld
leicht inhomogen ist und dies ebenfalls R beeinflußt. Zuerst muß
also der Transversalimpuls aus der Gesamtenergie bestimmt werden:
(6.11)
Abb. 6.1. Energieverlust pro cm in der Wand [MeV/cm] aus me
MCs. Als Ordinate ist die jeweilige Häufigkeit aufgetragen.
(a)
(b)
Abb. 6.2. Energieverlust pro Strecke in den beiden Gasen: DC1 (a) und DC2
(b) in [keV/cm].
Damit ergibt sich der Spurkreisradius zu (s. [Do
91] S. 86):
(6.12)
(6.13)
m ist die Steigung der Spur in x/y und A1 die Geschwindigkeit
des Teilchens in x-Richtung am Spuranfang.
Die teilweise Abhängigkeit von Größen des i-ten und des
(i+1)-ten Spurstückes kommt daher, daß die entsprechenden Spurgrößen
am Anfang, in der Mitte oder am Ende des Helixstückes definiert sind.
Da die Spurgrößen nur implizit über Ki vom
Energieverlust abhängen, ist in den früheren Formeln nur
K durch Ki zu ersetzen.
6.3 Ergebnisse durch die Berücksichtigung des
Energieverlustes im Spurmodell
Wie erwartet, ist der systematische Fehler durch die Berücksichtigung
des EL im Spurmodell nur noch verschwindend klein. Vor Berücksichtigung
der EL betrug er (s. Abb. 5.6c) 0.19 MeV/c,
danach (s.Abb. 6.3a) nur noch 0.02 MeV/c. Der systematische
Fehler ist im Vergleich zum statistischen von 0.33 MeV/c zu vernachlässigen.
Die Breite des normierten Gesamtimpulsfehlers hat sich unbedeutend verringert.
(a)
(b)
Abb. 6.3. Gesamtimpulsfehler des TRACKFIT (a) und normierter Gesamtimpulsfehler
DpGN
(b) aus Monte-Carlos von m- -> e-
Ereignissen mit Vielfachstreuung (MS) und Energieverlust (EL). Mit Berücksichtigung
von MS und EL im Fit. Gefittet wurde nur mit den DC1-Hits.
6.4 Zusatzterm zur Kovarianzmatrix durch Energieverlust
Es wurde bereits erwähnt, daß nur ein durchschnittlicher EL
in das Spurmodell eingehen kann. Die Streuung des EL um seinen Mittelwert
kann genauso wie die MS behandelt werden. Wie später begründet
(s. 6.4.3), wird nur der Einfluß der Zwischenwand
DC1/DC2 berücksichtigt. Die Vorgehensweise entspricht der aus Kap.5.
Zuerst wird der Einfluß einer punktuellen Beschleunigung auf die
Spur berechnet (s. 6.4.1), dann werden daraus die
Kovarianzen der Hits im Bereich III berechnet (s. 6.4.2),
und daraus werden die Kovarianzen des Bereichs II abgeleitet (s. 6.4.4).
6.4.1 Einfluß einer punktuellen Beschleunigung
auf die Spur
Der EL ändert nur den Gesamtimpuls, kann also mit einem Parameter
bestimmt werden:
(6.14)
Dabei ist L der wirklich aufgetretene EL und <L> der im Spurmodell
angenommene, jeweils in MeV. Dp ist
die Impulsabweichung in MeV/c. Da der durchschnittliche EL bereits abgezogen
ist, ist Dp um 0 verteilt. Wie auch
schon bei der MS wird als Vergleichsspur eine einfache Helix angenommen,
die am Wechselwirkungspunkt keinen Impuls in x-Richtung hat. Die verwendeten
Größen entsprechen den in 5.2 eingeführten.
Die Spur mit eingetretener Energieänderung wird als beschleunigte
Spur bezeichnet. Nach der Beschleunigung ist der Impuls:
(6.15)
Damit lassen sich alle wichtigen Spurparameter der beschleunigten Spur
in Abhängigkeit der Spurparameter der unbeschleunigten Spur und in
Abhängigkeit von dp berechnen.
Der Radius der beschleunigten Spur ist:
(6.16)
Da aus der Beschleunigung keine Richtungsänderung folgt, ist der
x-Impuls auch nach der Beschleunigung 0, also auch W=0
(vergl. Abb. 5.2), und ab
= a.
a) Abweichung der Spur in der x/y - Ebene
Durch die Änderung des Spurkreisradius verschiebt sich der Spurkreismittelpunkt
entsprechend:
(6.17)
(6.18)
Der Abstand eines Punktes auf der beschleunigten Spur zum Spurkreismittelpunkt
der unbeschleunigten ergibt sich zu (s. Abb.6.4):
(6.19)
(6.20)
(6.21)
Abb. 6.4. Projektion der unbeschleunigten und beschleunigten Spur in die
x/y-Ebene. Die Beschleunigung findet am Punkt B statt, danach laufen die
Teilchen im Uhrzeigersinn.
b) Abweichung der Spur in z
Die z-Koordinaten sind:
(6.22)
Der Spurfehler in z:
(6.23)
6.4.2 Abweichung der Spur im Bereich III durch Beschleunigung
in der Zwischenwand DC1/DC2
Die Gesamtabweichung ergibt sich aus der Summe der Abweichungen bei den
beiden Durchgängen durch die Wand:
(6.24)
(6.25)
j ist der Spurwinkel seit Punkt B, Y
der zwischen B und C (s. Abb. 5.3 und Abb.
6.4). Der obere Index L wird für Abweichungen und Kovarianzen
durch Energieverlust in der Zwischenwand benutzt.
Wie man in Abb. 6.5 sieht, ist die Verteilung
des relativen Energieverlustes (dp)
zwar keine Normalverteilung, aber sie erfüllt sicherlich die Gleichungen
(5.29) bis (5.31),
dazu muß in der Verteilung aus Abb. 6.5 noch
der Mittelwert abgezogen werden (vergl. 6.14). Damit
kann man die gleichen Rechenverfahren wie bei der MS benutzen, solange
man die Kovarianzen nur bis zur Ordnung (dpp)2
rechnet. Bei höheren Termen müßte die genaue Form der Wahrscheinlichkeitsverteilung
bekannt sein. Der allgemeine Ansatz für die Kovarianzen ist also:
(6.26)
Setzt man die verschiedenen Kombinationen von D
aus (6.24) und (6.25) ein,
so erhält man:
(6.27)
(6.28)
(6.29)
Um die Konstante SL zu bestimmen, kann man aus den Daten
der Monte-Carlos mit EL den relativen EL pro Strecke (dp/d)
auftragen und das Integral aus 5.31 berechnen
(s. Abb. 6.5). Man erhält:
(6.30)
Abb. 6.5. Der relative Energieverlust pro cm zurückgelegter Strecke
in der Wand. Der eingetragene Wert RMS ist die Summe über die quadratische
Abweichung vom Mittelwert, entspricht also dem Integral aus (5.31)
für die Abweichung des relativen Energieverlustes von seinem Mittelwert.
6.4.3 Abweichung der Spur im Bereich III durch Beschleunigung
in den Gasen
Entsprechende Kovarianzen könnten auch für den EL im Gas bestimmt
werden. Da davon allerdings keine bedeutende Verbesserung der Ergebnisse
zu erwarten ist, lohnt sich der Mehraufwand nicht. Außerdem stellt
sich hierbei das Problem, die Breite der Verteilung des EL zu bestimmen.
Beim EL in der Wand konnte diese einfach aus Monte-Carlos abgeleitet werden,
da die zurückgelegten Strecken in der Wand alle in der gleichen Größenordnung
sind. Dies ist hier nicht so leicht, da man nicht direkt von der Breite
der Verteilung des EL eines großen Spurstückes auf die eines
kleinen schließen kann. Hierzu wäre eine bessere Kenntnis der
Verteilung nötig; wie bereits erwähnt, ist sie keine Normalverteilung.
Eine andere Möglichkeit wäre, ein Verfahren wie das bei der MS
benutzte zu verwenden. Dieser erhebliche Aufwand würde sich aber nicht
lohnen.
6.4.4 Abweichung der Spur im Bereich II durch Beschleunigung
in der Zwischenwand DC1/DC2
Die Abweichung der Spur im Bereich II kann aus der im Bereich III abgeleitet
werden.
Setzt man in (6.26) nicht DLk
sondern Dbk (6.21)
und (6.23) ein, so bekommt man die entsprechenden
Kovarianzen, wenn mindestens einer der Hits in der DC2 liegt:
(6.31)
(6.32)
6.5 Ergebnisse durch die Berücksichtigung der
vollständigen KM im Fit und des Energieverlustes im Spurmodell
Bei allen bisher angegebenen Fitergebnissen wurde ohne DC2-Hits gefittet.
Nimmt man DC2/Hits hinzu, verschlechtern sich die Ergebnisse.
Beim Betrachten dieser Fits im SED erkennt man, daß die DC2-Hits
zu weit außen liegen. Es handelt sich wahrscheinlich um eine zu ungenaue
Driftzeitzuordnung der Monte-Carlo/Hits in der DC2. Das TRACKFIT ist voll
für einen Fit mit DC2 vorbereitet. Sobald dieses Problem gelöst
wird, kann mit DC2-Hits gefittet werden. Man sollte dann allerdings prüfen,
ob der doch erheblich größere Rechenaufwand durch entsprechend
bessere Fitergebnisse gerechtfertigt ist. Ebenfalls kann dann der 9-Parameterfit
getestet werden.
In Abb. 6.6 ist eine vollständige (Vielfachstreuung und Energieverlust;
Bereiche I bis III) KM dargestellt.
Abb. 6.6. Eine vollständige im TRACKFIT berechnete KM eines me-Monte-Carlo-Ereignisses.
Unten sind die Bereiche angegeben (I bis III für den Spurbereich und
A bzw. C für Anoden- oder Kathodenhits.)
Die hier folgenden Ergebnisse (wie auch die bereits vorher angegebenen
) sind aus Fits von me-Monte-Carlo-Ereignissen
mit möglichst genauer Detektorsimulation, d.h. sie enthalten Vielfachstreuung,
Energieverlust, Ineffizienzen und sind mehrfachkreisend. Sie stellen fast
die gleichen Anforderungen an die Auswertekette wie wirkliche Ereignisse.
Es wird somit die gesamte Auswertekette und nicht nur das TRACKFIT getestet.
Bei dem Fit erhält man einen systematischen Fehler von 20 keV/c und
einen statistischen von 340 keV/c (s. Abb. 6.7a).
Der normierte Impulsfehler nach (5.69):
(6.30)
hat einen Mittelwert von 0.05 und eine Breite von 1.05 (s. Abb.
6.6b). Die erhaltenen Gaußkurven sind nicht sehr gut, man erkennt
eine Überlagerung von zwei Gaußkurven, einer schmalen hohen
und einer flachen breiten, letztere ist auf Fehlrekonstruktionen der Tracker
zurückzuführen, diese sind selten, aber führen dann zu größeren
Fehlern im Fit.
(a)
(b)
Abb. 6.7. Die Fehler des Gesamtimpulses beim Fit von me-Monte-Carlos
unter Verwendung der vollständigen Kovarianzmatrix und des Energieverlustes
im Spurmodell. In (a) sind die Abweichungen des von TRACKFIT ermittelten
zum wahren Impuls dargestellt, in (b) sind die se Abweichungen noch durch
den von TRACKFIT ausge
gebenen Fehler dividiert.
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